Es braucht bewusste Abnablung zu unseren Eltern, um in die eigene Kraft zu kommen.
Gerade in unserer heutigen westlichen Gesellschaft verwischen die Grenzen zwischen den Familienmitgliedern oft und wir nehmen nicht mehr klar unsere Positionen ein, so dass es oft zu Konflikten, unterdrückten Gefühlen oder Erstarrung im eigenen System kommt.
In meiner Praxis für systemisches Familienaufstellen in Berlin sehe ich es seit über 10 Jahren immer wieder: Menschen betreten meine Räume mit einer unheimlichen Wut auf ihre „übergriffige Mutter“, Frust über den „sturen Vater“, sowie eine noch immer schmerzhaft schwelende Trennung der Eltern aus der Kindheit oder aber auch eine unendliche Kraftlosigkeit, kein berufliches Vorankommen, es stagniert, das Geld fliesst überall hin, nur nicht auf das eigene Konto.
WUT Thematik:
Du wirst geboren und bist in einer kompletten Abhängigkeit zu den Menschen, die dich ernähren, wärmen und vor der Welt beschützen. Demnach spürst du eine starke Symbiose, dein Wesen möchte im Einklang sein. Wir werden älter und hier starten oft die ersten Verstrickungen, wir übernehmen unbewusst Themen aus unserer Kernfamilie, um die Stabilität der Gruppe zu stärken und zu halten. Dahinter steht keine Absicht der Eltern oder der Kinder, es passiert in jeder Familie so. Die Kinder können sich noch nicht abgrenzen und übernehmen automatisch die familiären Muster und Fäden.
Irgendwann beginnen wir unsere Eltern in Frage zu stellen und das ist eine sehr gute Entwicklung, so soll es sein, um den eigenen Weg und sich selbst zu finden. Hier entsteht nun die Krux, wir sind so sehr in einem Abhängigkeitssystem verhakt, unterdrücken unsere Emotionen (weil die Entwicklung der heutigen Zeit weiter dahin geht, dass sich immer mehr die Gefühls- und Bedürfnissprache verliert) bündeln viele Menschen ihr Erleben in WUT.
Wut auf den Vater, der nie da war. Wut auf die Mutter, weil sie andere Einstellungen vertritt, als man selbst, Wut, weil die Eltern sich nicht ändern wollen, damit es uns gut geht.
FRUST Thematik:
„Eltern sind auch Menschen“ – ist ein sehr einfacher Satz, der aber oft total an den Rand gedrückt wird. Den Eltern stand keine „Elternschule“ zur Verfügung, um ein Kind mit hilfreichen Grenzen und gesunder Liebe zu nähren, sowie den Kindern einen liebevollen Umgang mit Emotionen zu ermöglichen.
Unsere Gesellschaft hing im letzten Jahrhundert dem sehr hinterher, sich um eine emotional-feste Familienkultur zu kümmern, die Vertrauen in ihre Kinder pflanzt, dass sie es auch auf ihre eigene individuelle Art & Weise zu etwas bringen.
Und nun landen die Menschen in den therapeutischen Praxen, im Alter von ca. 25 bis Anfang 60 und sie schimpfen über ihre Eltern, dass sie Schuld seien an dem schweren Leben, unter dem sie leiden müssten. Mit vielen verschiedenen Symptomen wie Ängsten, Körperschmerzen, Beschwerden im Magen-Darm-Trakt, Erschöpfung und Depressionen.
Eine junge Frau kam vor einigen Jahren in meine Praxis, sie arbeitete damals in einem großen deutschen Familienunternehmen, war unglücklich, frustriert und fühlte sich komplett alleine.
Ihr erster Satz für mich war: „Sophie, egal was du sagst, ich werde nie das Unternehmen meiner Familie verlassen, no way!“ – ich ging nicht in den Widerstand, aber mir war klar, sie kannte unbewusst oder bewusst von Anfang an die Lösung für ihren Schmerz. Es ging nicht darum, dass jemand ihr das sagte, sie musste selbst entscheiden ihren Eltern gegenüber ein schlechtes Gewissen zu zulassen, um ihr eigenes Glück zu finden.
Stattdessen fühlte sie sich von ihren Eltern schikaniert, gab ihre letzte Kraft um geliebt zu werden in die Firma, sogar ihr Privatleben, was in ihren Augen nicht honoriert wurde und somit kam noch mehr Frust auf, und sie wurde im Alltag von Ängsten geplagt.
Wir arbeiteten kontinuierlich über mehrere Monate in Einzelsessions an ihren Themen, am Ende einer Session verkündete sie: „Sophie, ich möchte etwas anderes machen, als im Familienunternehmen zu arbeiten!“ – ein paar Tage später kündigte sie und gab es nach und nach auf, ihren Eltern zu gefallen, und ihr eigenes Wesen zu unterdrücken und wurde vom Fleck weg von einem anderen Unternehmen engagiert. Ein Jahr später begegnete sie der großen Liebe ihres Lebens und kam auf eine neue Augenhöhe mit ihren Eltern, weil sie sich gut abgrenzen konnte. Sie entschied es selbst.
SCHMERZ Thematik
Überall auf der Welt trennen sich Paare, nicht immer sind wir dazu gemacht auf Ewig eine Einheit zu bleiben. Viele Generationen an Kindern mussten sich entscheiden, auf welcher Seite sie stehen – das kann zu extremen Zerrissenheiten bei den Kindern führen. Sie nehmen dabei vieles sehr fein wahr, z.b. dass die Mutter sich nicht wehren kann, wenn der Vater cholerisch über die Mutter schimpft, oder das der Vater sich nicht für die Familie kämpft.
Hier passieren die Dissoziationen, Kinder können verschiedene Verknüpfungen stellen:
- „Meine Mutter ist schwach, ich darf sie nicht enttäuschen und handle nach ihrem Wunsch“
- „Mein Vater ist wütend, ich kämpfe gegen ihn um meine Mutter zu schützen“
- „Meine Mutter hat die Familie verlassen, ich kann Frauen nicht vertrauen“
- Etc, etc., unendliche viele Variationen ergeben sich hier
Und im Erwachsenenalter fällt es uns schwer, eigene Wege zu gehen, denn wir wollen als Mann nicht auch noch unsere Mutter enttäuschen, so wie es der Vater getan hat. Oder wir fundieren als Ersatzpartner für einen unserer Elternteile. Das schlechte Gewissen schmerzt regelrecht körperlich in uns, wenn wir spüren, dass unser Selbst sich in eine andere Richtung wenden möchte, in unsere eigene Richtung.
So wie Elternschaft, haben wir auch Trennungen nicht wirklich gelernt, und damit umzugehen. Jedoch verändert sich unsere Gesellschaft ständig, so wie ich das in meiner Arbeit mitbekomme aktuell, können getrennte Paare auf eine gute Art auch noch Eltern sein. Sie differenzieren ihre Rollen, schaffen es teilweise sich als Eltern gegenseitig zu schätzen und sogar liebevoll miteinander umzugehen. Das gibt Kindern eine sehr große Sicherheit, und wenn sich die Familie zu einer Patchwork Familie erweitert, dann kann das auch ein Mehrwert sein.
Kraftlosigkeit Thematik:
Wenn wir unsere eigenen Eltern nicht annehmen können, so wie sie sind, lehnen wir auch Anteile von uns selbst ab. Diesen inneren Druck spüren wir besonders in depressiven Verhalten, Erstarrung oder auch Kraftlosigkeit, wir kommen auf keinen grünen Zweig, stellen uns selbst ein Bein.
Die besten 2 Methoden, die mir selbst dabei halfen, aus meiner eigenen vorwurfsvollen Wut meine Eltern gegenüber in eine liebevolle Balance zu finden*
1. Setze dich jeden Tag für 2-5 Minuten hin und notiere dir was du an deinen Eltern wertschätzt, oder was sie gut gemacht haben, worüber du Dankbar bist. Bleibe dabei authentisch und dir gegenüber ehrlich.
Ein kleiner Einblick aus meinem Erleben, ich sass mehrere Wochen jeden Tag über diesem leeren Blatt und versuche wirklich tief in mich zu gehen, aber nichts fiel mir ein. Dennoch blieb ich hartnäckig an der Übung, weil ich ein Mensch mit einem langen Atem bin und tatsächlich, ab der 3. Woche kamen die ersten guten Mini-Gedanken, sowas wie: „meine Mutter hat mir gezeigt, wie man sich etwas kocht“ oder „mein Vater lehrte mich zu sparen“ – und ich blieb weiterhin dran, bis ich tatsächlich die alten harten Gedanken los lassen konnte, und mich mehr und mehr auf das Gute konzentrierte und damit auch auf das Positive in mir. Meine große Wunde konnte sich langsam schliessen und plötzlich spürte ich, wie meine Wutwellen sich zurückzog und mehr Liebe fliessen konnte, zu mir selbst und zu meinen Eltern aus denen ich entstanden bin, so wie sie sind. Ohne sie ändern zu wollen, sondern ich nahm sie so wie sie sind.
2. Buch dir eine systemische Familienaufstellung und stell dein Familiensystem auf! Denn das Familienaufstellen ist eine emotional aufdeckende Arbeit, hier können sich deine Gefühle zeigen und werden ernst genommen. Auch wird hier durch eine neue Bewusstseinsklarheit herausgefunden, wo dein guter Abstand zu dem ganzen ist und du wieder leichter atmen kannst.
*bedenke, was sich lange systemisch in deinem Leben aufgebaut hat, braucht auch Zeit um sich in dir zu wandeln
Elternsein beinhaltet die Zauberkraft in Kindern Selbstbewusstsein und Vertrauen zu säen, aber wenn Eltern es aus eigener Kraft nicht aufzubringen vermögen, vielleicht selbst nie erfahren haben wie es gut ist, dann ist es an dir, dich irgendwann dazu zu entscheiden, dir selbst die besten Eltern zu sein und dich verantwortungsbewusst um dich selbst zu kümmern.
Baue dir ein liebevolles soziales Netzwerk auf, kümmere dich um deine Freunde in jedem Alter, denn es braucht ein ganzes Dorf um ein Kind groß zu ziehen und diese Dörfer fehlen uns heute, daher pflege deine zwischenmenschliche Beziehungen, die dich nähren und wärmen. So wie du es auch ihnen zurückgibst.
Stelle dich gerade hin, schliesse die Augen, stelle dir vor, deine Eltern schauen auf dich und sage ihnen: „ich entlasse euch aus all meinen Erwartungen“ – und dann dreh dich um und schaue mit offenen Augen nach vorne.
Wichtiger Hinweis:
Disclaimer Die bereitgestellten Inhalte vom Experten sind ausschließlich zu Informations- und Bildungszwecken und ersetzen keine therapeutische oder medizinische Beratung. Bei medizinischen oder psychischen Problemen solltest du stets professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.
Die in diesem Anzeigen Beitrag empfohlene Expertin ist zahlendes StaySana-Mitglied. Dieser Beitrag enthält insoweit bezahlte Inhalte.
Über den Autor
Sophie Lühr
Jeder kann sein Leben verändern, das weiss ich daher, weil ich mein Leben selbst um 180 Grad gewendet habe. Die systemische Aufstellungs-Methode wirkt emotional aufdeckend und bringt Leichtigkeit in Verstrickungen, und das ohne deine Eigenständigkeit abzugeben. Behutsam bringt sie dich liebevoll zu deinem Inneren wunderbaren Selbst. Ich begleite dich dabei.
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